Schalwa Papuashvili: Zwischen deutschem Rechtsstaat und georgischem Nationalpopulismus
- Nina Tifliska
- vor 5 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Schalwa Papuashvili, geboren 1976 in Tiflis, ist kein gewöhnlicher Politiker der Regierungspartei „Georgischer Traum“. Er ist Jurist mit deutscher Prägung, ausgebildet an einer renommierten deutschen Universität, promoviert im deutschen Recht und über Jahre hinweg in deutschen Institutionen tätig gewesen – ein Paradebeispiel für erfolgreiche europäische Kooperation. Sollte man meinen.
Doch der heutige Parlamentspräsident präsentiert sich nicht mehr als Brückenbauer zwischen Georgien und Europa, sondern zunehmend als oberster Sprecher nationalistischer Empörung. Wo einst rechtstaatliche Prinzipien im Mittelpunkt standen, dominieren heute politische Unterstellungen, moralisierende Phrasen und die Verteidigung der „souveränen Entscheidungen“ eines zunehmend autoritär agierenden Staates.
Vom GIZ-Mitarbeiter zum Sprachrohr der Visafreiheitskrise
Papuashvili war jahrelang im Dienste der deutschen Entwicklungszusammenarbeit tätig – ironischerweise mit dem Ziel, demokratische Institutionen in Georgien zu stärken. Heute wettert er gegen genau jene Prinzipien, auf denen sein Werdegang basierte. Besonders auffällig wurde dies im Kontext der aktuellen Debatte um die mögliche Aussetzung der Visafreiheit für Georgien durch die EU.
Statt sich um Ursachen wie demokratischen Rückschritt, Korruption oder ein Agentengesetz russischer Prägung zu kümmern, sieht Papuashvili lieber die Schuld im Ausland. Dass Georgier im Ausland Geld ausgeben, sei Grund genug, ihnen das Reisen zu ermöglichen. Visafreiheit als wirtschaftliches Geschäftsmodell – das ist juristisch ebenso originell wie realitätsfern.
Angriff auf Deutschland: Wenn der Dank zur Drohung wird
Seine jüngsten Aussagen gegen den deutschen Botschafter in Tiflis zeigen, wie sehr sich Papuashvili vom diplomatischen Takt verabschiedet hat. Statt auf den berechtigten Hinweis einzugehen, dass die Visafreiheit kein Automatismus, sondern ein an Bedingungen geknüpftes Privileg ist, reagierte der Parlamentspräsident mit sarkastischer Entrüstung und beleidigter Nationalrhetorik.
Gerade aus dem Munde eines Mannes, der einst in Deutschland gefördert und mitgetragen wurde, wirkt diese Haltung nicht nur widersprüchlich, sondern auch entlarvend. Wer so spricht, will keinen Dialog – er will Konfrontation.
Von westlicher Bildung zum innenpolitischen Zweckbündnis
Papuashvilis Fall ist symptomatisch für einen Teil der georgischen Eliten: akademisch westlich geprägt, politisch aber fest im autoritären Lager verankert. Bildung wird zur Karriereleiter, nicht zur Wertebasis. Internationale Partnerschaften dienen nur so lange, wie sie innenpolitisch verwertbar sind. Sobald kritische Stimmen laut werden – aus Deutschland, der EU oder von zivilgesellschaftlichen Organisationen – wird sofort mit nationaler Souveränität und antieuropäischer Rhetorik gekontert.
Fazit: Die Enttäuschung eines europäischen Projekts
Schalwa Papuashvili hätte ein Aushängeschild für den europäischen Weg Georgiens sein können – doch stattdessen wird er zum Sprachrohr einer Politik, die sich von den Grundprinzipien Europas entfernt. Der Bruch mit Deutschland ist dabei besonders bitter, weil er zeigt, wie schnell europäische Bildungs- und Integrationsprojekte von politischen Opportunisten instrumentalisiert werden können.
Wer Deutschland einst als Partner wählte, sollte es nicht als Feind behandeln, nur weil die Kritik an der eigenen Regierung unbequem geworden ist. Doch offenbar ist in der Welt von Papuashvili die Loyalität zur Partei wichtiger als die zur Rechtsstaatlichkeit. Ein Paradox – aber ein sehr georgisches.
Comments