Visafreiheit ade? Während Brüssel mahnt, plant Tiflis das nächste Gesetz gegen die Zivilgesellschaft
- Nina Tifliska
- 7. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 5 Tagen
Die Stimmung zwischen Georgien und der EU ist... sagen wir: abgekühlt.Während der deutsche Botschafter Peter Fischer beteuert, „niemand wolle das georgische Volk bestrafen“, wird in Tiflis mit bemerkenswerter Geschwindigkeit weiter an einer demokratischen Demontage gearbeitet – ganz nach dem Motto: Mehr Kontrolle, weniger Kritik.
Und während die EU prüft, ob Georgien noch demokratisch genug für visafreies Reisen ist, werkelt die Regierungspartei „Georgischer Traum“ an einem Gesetz, das NGOs und unabhängige Medien endgültig in die Knie zwingen könnte. Der neue Gesetzesentwurf sieht vor, dass ausländische Fördergelder – sogenannte „Grants“ – nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung der Regierung angenommen werden dürfen.
Ach, und „Genehmigung“ bedeutet hier nicht etwa einen fairen Verwaltungsakt mit Rechtsschutz. Nein, die Entscheidung ist unanfechtbar. Eine Art göttlicher Verwaltungsakt made in Tbilisi.
Was steht drin im neuen Gesetz?
Alle ausländischen Fördermittel (Grants) dürfen nur nach vorheriger Genehmigung durch die georgische Regierung oder eine von ihr bestimmte Behörde angenommen werden.
Die Entscheidung über die Genehmigung muss innerhalb von 10 Tagen erfolgen –allerdings ohne Widerspruchsmöglichkeit. Wer einmal „Nein“ hört, bleibt draußen.
Ausnahmen gelten lediglich für:
internationale Sportveranstaltungen (Georgien will ja weiter auf den Fußballplatz dürfen),
Bildungs- und Forschungsstipendien im Ausland (aber bitte ohne Politik),
sowie internationale Organisationen mit offizieller Registrierung in Georgien.
Das neue Machtzentrum: Das „Antikorruptionsbüro“
Die Kontrolle über die ganze Vergabemaschinerie liegt beim Antikorruptionsbüro, geleitet von Radshen Kuprashvili – einem Mann, der vermutlich demnächst mehr Macht hat als so mancher Minister.
Das Büro darf:
Finanzberichte und Unterlagen anfordern,
Menschen befragen und vorladen,
Vertrauliche Daten und persönliche Informationen einsehen,
elektronische Vernehmungen durchführen,
und – man höre und staune – Vermögenswerte beschlagnahmen, auch ohne Gerichtsurteil.,
Wer sich nicht fügt, zahlt:
Doppelte Höhe des erhaltenen Grants als Strafe
2.000 Lari bei fehlerhaften Angaben
Wiederholungstäter? – Strafe verdoppelt
Klingt nach einem fairen Deal, oder?
Und die Zivilgesellschaft?
Die NGOs sprechen bereits offen von einem neuen Angriff auf die Meinungsfreiheit. So wurde Mzia Amaglobali, Gründerin der unabhängigen Medienplattform „Batumelebi / Netgazeti“, unter Vorwand festgenommen. Die Redaktion nennt sie eine Gewissensgefangene eines russisch inspirierten Regimes. Eine Bezeichnung, die leider nicht übertrieben scheint.
Schnellverfahren statt Debatte
Das Gesetz soll bereits kommende Woche beschlossen werden.
Rückwirkung? Zum Glück nein.Wer aber ab Inkrafttreten einen Grant annimmt, ohne Genehmigung – der ist dran.
Verfahren sollen nicht länger als 3 Monate, im Wahlkampf sogar nur 5 Tage dauern.
Man könnte fast meinen, man bereitet sich auf kritische Wahlbeobachtung vor – oder eben darauf, diese präventiv zu blockieren.
Fazit:Während der Westen noch diplomatisch um Fassung ringt, spielt Georgien mit seiner europäischen Perspektive wie ein Kind mit einem Streichholz im Stroh. Die visafreie Reise ist in Gefahr, doch die Regierung scheint sich mehr für die Kontrolle über NGOs zu interessieren als für Reisefreiheit.
Vielleicht, weil man weiß: Wer das Land verlassen darf, könnte irgendwann nicht mehr zurückkommen wollen.
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