Georgiens neue Repressionsstrategie: 1.700 € für ein paar Schritte auf der Straße
- T. Kartliani
- vor 15 Stunden
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Man stelle sich vor: Man nimmt friedlich an einer Demonstration teil, vielleicht blockiert man mit ein paar Dutzend anderen für ein paar Minuten eine Straße – und verlässt das Ganze dann mit einem Bußgeldbescheid über 5.000 Lari. Umgerechnet rund 1.700 Euro. Willkommen in Georgien im Jahr 2025, wo Protest nicht mehr ein demokratisches Recht, sondern ein teures Risiko geworden ist.
Seit Beginn der Proteste am 28. November 2024 hat die Regierungspartei Georgian Dream das Ordnungswidrigkeitenrecht offenbar in ein finanzielles Erpressungsinstrument verwandelt. Die Geldstrafe für das „Blockieren von Straßen“ wurde zum 30. Dezember mal eben von 500 Lari (rund 170 Euro) auf 5.000 Lari (rund 1.700 Euro) verzehnfacht. Das nennt man in Tiflis offenbar Rechtsstaatlichkeit mit georgischen Sonderzuschlag.
Dabei scheint es der Regierung herzlich egal zu sein, ob das Innenministerium überhaupt Beweise für die angeblichen Verstöße vorlegen kann. Hauptsache, die Leute zahlen – oder werden in Angst und Schrecken versetzt. Denn nichts schreckt effektiver ab als das Damoklesschwert eines ruinösen Bußgeldes.
Wer kann sich den Protest überhaupt noch leisten?
Laut offiziellen Zahlen der georgischen Steuerbehörde hatten im Dezember 2024 von über 1,2 Millionen Einkommensbeziehern gerade einmal 15 %, also rund 185.470 Personen, ein monatliches Einkommen von 4.800 Lari (rund 1.630 Euro) oder mehr. Der Rest, ganze 1.045.411 Menschen, verdient weniger – viele davon deutlich. Besonders beliebt ist in Georgien nämlich das Einkommensniveau zwischen 1.200–2.400 Lari (rund 400–820 Euro), auf dem sich rund 315.000 Personen bewegen. Und über 290.000 Menschen müssen mit weniger als 200 Euro im Monat überleben.
Aber hey – für die Regierung sind das wahrscheinlich nur statistische Kollateralschäden auf dem Weg zur autoritären Glückseligkeit.
Venedig-Kommission und OSZE? Ach, die schon wieder!
Wie so oft bei georgischer Gesetzgebung wurden auch diesmal die internationalen Empfehlungen elegant ignoriert. Die Venedig-Kommission und die OSZE/ODIHR mahnten noch ganz diplomatisch, dass Sanktionen gegen Versammlungsteilnehmer „notwendig, verhältnismäßig und nicht diskriminierend“ sein müssen. Doch was ist in Georgien schon verhältnismäßig? Eine 10-fache Erhöhung der Geldbuße scheint in der Logik des Innenministeriums jedenfalls voll im Rahmen des demokratischen Hausgebrauchs zu liegen.
Kein Ermessen, keine Gnade – Justitia im Dienst der Staatskasse
Ein besonders illustratives Beispiel liefert die Entscheidung des Kutaisier Stadtgerichts vom 26. Januar 2025. Neun Demonstrierende wurden jeweils mit 5.000 Lari zur Kasse gebeten, weil sie vor dem Haus des Richters Malkhaz Okropiridze eine Mahnwache hielten. Unter ihnen der Lehrer Lado Afkhazava, der das Gericht höflich darauf hinwies, dass er diese Summe schlicht nicht aufbringen kann. Seine Bitte um Nachsicht? Abgeschmettert. Die georgische Justiz kennt offenbar keine Armut – nur Tarife.
Der Social Justice Center, der sechs der Betroffenen rechtlich vertritt, kritisiert zu Recht: Die gesetzliche Regelung ist nicht nur unverhältnismäßig, sondern auch verfassungsrechtlich fragwürdig, weil sie Richtern keine Möglichkeit gibt, individuelle Umstände zu berücksichtigen. Stattdessen herrscht ein starres Strafmaß, das eher an sowjetische Automatismen als an moderne Rechtsstaatlichkeit erinnert.
Fazit: Geldstrafe statt Gummiknüppel?
Während in autoritären Regimen früher gerne der Schlagstock zum Einsatz kam, setzt Georgien nun offenbar auf die Methode „finanzieller Keulenschlag“. So lässt sich Protest bequem ausmerzen, ohne dass Bilder von Polizeigewalt durch die Medien geistern. Die Message ist klar: Wer gegen das System aufbegehrt, wird nicht geschlagen – nur ruiniert.
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Georgien 2025: Für den Rechtsstaat bleibt da kaum noch Kleingeld übrig.
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