Georgien und China: Freihandel, Honig und Hühnerflügel – eine strategische Partnerschaft?
- Nina Tifliska
- vor 5 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Während Europa mit Visafreiheitsdebatten und Justizkritik konfrontiert wird, feiert die georgische Regierung lieber die nächste Erfolgsmeldung aus Peking. In Tiflis fand kürzlich die 9. Sitzung der Gemeinsamen Kommission für Handels- und Wirtschaftskooperation zwischen Georgien und China statt – ein Event, das vom georgischen Wirtschaftsminister Levan Davitashvili und dem stellvertretenden Handelsminister Chinas Lin Ji persönlich eröffnet wurde. Und wie immer klang alles wunderbar strategisch.
Doch was steckt wirklich hinter dieser demonstrativen Freundschaft?
Vom Freihandel zum Honigexport: Georgien als Modellstaat?
Laut Davitashvili sei Georgien das erste Land in der Region gewesen, das ein Freihandelsabkommen mit China geschlossen habe. Eine Leistung, die man in Tiflis offenbar als geopolitischen Ritterschlag versteht. Die bilaterale Handelsbeziehung wird als „strategisch“ gepriesen – immerhin sei das Handelsvolumen im Jahr 2024 um 17 % gestiegen und habe 1,92 Milliarden US-Dollar erreicht. China liegt damit laut georgischen Angaben auf Platz 4 der wichtigsten Handelspartner.
Na dann: Glückwunsch zu Platz 4.
Doch bei all dem Pathos bleibt eine Frage offen: Was exportiert Georgien eigentlich wirklich nach China? Zumindest gab es jetzt die feierliche Nachricht, dass georgischer Honig künftig offiziell nach China exportiert werden darf. Ein Durchbruch – zumindest für Imker. Wer sich fragt, warum das 2025 noch als Durchbruch gilt: In den letzten 10 Jahren wurden insgesamt weniger als vier Tonnen Honig nach China exportiert. Mehr wurde vermutlich auf lokalen Märkten verkauft als über den Zoll in Shanghai.
Auch Hühner sollen fliegen – in chinesische Kühlhäuser
Die Verhandlungen über den Export von georgischem Geflügelfleisch nach China sollen in wenigen Monaten abgeschlossen sein. Damit könnte Georgien erstmals nicht nur Honig, sondern auch Hühnerteile in den Fernen Osten schicken. Man könnte sagen: Von der Seidenstraße zur Tiefkühlstraße.
Wäre da nicht ein kleiner Haken: China ist bereits heute einer der größten Geflügelproduzenten der Welt. Ob man dort also wirklich auf georgisches Huhn gewartet hat – oder ob das eher ein diplomatischer Bonus für die Regierung in Tiflis ist – bleibt offen.
Infrastrukturprojekte, Investitionen und... der Mittlere Korridor
Natürlich standen auch Infrastruktur, Energie, IT, Landwirtschaft und Tourismus auf der Tagesordnung. Und selbstverständlich wurde auch der „Mittlere Korridor“ thematisiert – jenes groß angekündigte Transitprojekt, bei dem Georgien gerne als logistisches Herz der eurasischen Zukunft gesehen werden möchte.
Doch abseits von Präsentationen fehlt weiterhin ein realistischer Plan, wie Georgien sich strukturell überhaupt für chinesische Investoren attraktiv machen will. Dass Investoren mit Visafreiheit und steuerlichen Sonderzonen gelockt werden, ist nett – reicht aber kaum aus, wenn gleichzeitig Rechtsstaat und politische Stabilität bröckeln.
Und wo bleibt Europa?
Während also chinesische Minister in Tiflis Honigabkommen unterzeichnen, wartet Europa auf ein Signal aus Georgien, dass demokratische Prinzipien noch einen Restwert besitzen. Doch diese Signale bleiben aus. Stattdessen betont die georgische Regierung, dass man mit China unkompliziert, schnell und effizient arbeite – eine Formulierung, die nicht zufällig wie eine Spitze gegen Brüssel klingt.
Und man fragt sich: Wie konnte aus einem Land, das einmal als Reformvorbild im östlichen Europa galt, ein Staat werden, der sich lieber auf Pekings Exportliste wiederfindet als auf der Agenda der EU-Kommission?
Fazit: Wirtschaftliche Zusammenarbeit oder geopolitisches Ablenkungsmanöver?
Die Sitzung der Handelskommission zwischen Georgien und China mag technokratisch korrekt und wirtschaftlich sinnvoll erscheinen. Doch sie ist ebenso ein Zeichen politischer Realitätsverweigerung. Während in Europa rote Linien gezogen werden, rollt Tiflis lieber den roten Teppich für chinesische Delegationen aus – und feiert das als Vision.
Ein paar Tonnen Honig nach China? Vielleicht gut für die Statistik. Aber für Georgiens europäische Zukunft wäre es hilfreicher, wenn man sich endlich wieder an die Werte erinnert, für die einst sogar das erste Freihandelsabkommen mit China gefeiert wurde: Offenheit, Transparenz und Vertrauen. Nicht nur in Richtung Osten.
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