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Besuch in der Parallelwelt: OSZE-Generalsekretär besucht Georgien – und übersieht 140 Tage Protest

Es ist ein symbolträchtiger Moment – allerdings im denkbar schlechtesten Sinne: Während zehntausende Georgier:innen seit über 140 Tagen bei Regen, Kälte und Repressionen für Demokratie, Menschenrechte und eine europäische Zukunft protestieren, beschließt der Generalsekretär der OSZE, Feridun Sinirlioğlu, ausgerechnet jetzt einen offiziellen Besuch in Tiflis zu absolvieren. Begleitet wird dieser nicht etwa von einem klaren Statement zur Unterdrückung friedlicher Proteste, sondern von Höflichkeitsgesten gegenüber einer Regierung, die sich immer weiter vom europäischen Wertekonsens entfernt.

Laut georgischem Außenministerium trifft sich Sinirlioğlu heute, am 22. April, mit dem Außenminister Georgiens, gefolgt von einer gemeinsamen Presseerklärung mit Maka Botchorishvili – die in Brüssel regelmäßig durch ihre Bemühungen auffällt, die politischen Realitäten in Georgien in ein etwas… nun ja, freundlicheres Licht zu rücken. Zusätzlich stehen Treffen mit hochrangigen Vertretern der Exekutive und Legislative auf dem Programm. Sprich: Mit genau jenen Akteuren, die mit ihrer Politik der Einschüchterung, Manipulation und Desinformation den aktuellen Zustand überhaupt erst herbeigeführt haben.

Doch damit nicht genug. Besonders zynisch wirkt der Plan, auch das Dorf Odzisi nahe der Besatzungslinie zu besuchen. Ja, das Thema russische Besatzung ist wichtig – aber was ist mit der Demontage demokratischer Strukturen in Tiflis selbst? Was ist mit den Polizeigewalten gegen Demonstrierende, den gezielten Desinformationskampagnen gegen die Zivilgesellschaft und den Drohungen gegen Medien? Alles kein Thema?


Ein diplomatischer Kotau vor dem autoritären Kurs?

Statt ein deutliches Zeichen für jene zu setzen, die täglich ihre Gesundheit und Sicherheit aufs Spiel setzen, um die europäischen Werte im eigenen Land zu verteidigen, scheint der Besuch Sinirlioğlus vor allem eines zu tun: Die Illusion von Stabilität und internationaler Anerkennung für die Regierung von „Georgischer Traum“ zu nähren.

Für viele Protestierende – von Student:innen bis hin zu Rentner:innen, von NGOs bis zu Künstler:innen – wirkt dieser Besuch wie ein Schlag ins Gesicht. Während sie auf den Straßen stehen, von Sicherheitskräften bedrängt, von Regierungsvertretern verunglimpft und in den Staatsmedien dämonisiert werden, wird in klimatisierten Konferenzräumen diplomatische Wohlfühlpolitik betrieben.


Protest wird übersehen, die Realität ignoriert

Dass sich die OSZE, eine Organisation, die den Anspruch erhebt, für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa einzutreten, ausgerechnet jetzt für Schweigen entscheidet, ist nicht nur ein Fehler – es ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Wer autoritäre Tendenzen in Partnerstaaten ignoriert oder gar indirekt legitimiert, trägt zur Erosion jener Ordnung bei, die die OSZE eigentlich schützen sollte.

Die georgische Bevölkerung demonstriert seit über 140 Tagen, bei jedem Wetter, mit Mut und Beharrlichkeit – und sie verdient nicht diplomatisches Wegschauen, sondern internationale Unterstützung. Ein Besuch ohne klare Worte ist kein Dialog, sondern eine Beleidigung.

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